17. SONNTAG im Jahreskreis

 

Jesus betet. Das tut er oft. Er zieht sich allein zurück, auf einem Berg, an einem einsamen Ort. Er will bei Gott, seinem Vater, sein. Seinen Freunden ist das natürlich aufgefallen und sie sagen: „Jesus, lehre uns beten.“ Das ist eine überraschende Bitte: Die Freunde von Jesus sind doch erwachsene Menschen, in der jüdischen Tradition aufgewachsen, in der man drei Mal am Tag vorgeschriebene Gebete spricht. Sie beten doch schon! War das Beten von Jesus anders?

Die Antwort von Jesus ist das berühmte und uns allen vertraute „Vater Unser“. Will Jesus seinen Freunden da noch einen Gebetstext mehr geben, damit sie auch ihn auswendig nachsagen? Jesus gibt ihnen nicht einfach einen neuen Gebetstext, sondern will ihnen deutlich machen, mit welcher inneren Haltung zu Gott sie beten sollen. Die Worte des Vater Unsers drücken eine ganz eigene Beziehung zu Gott aus.

Vater, lieber Vater!“ Kann, darf ich so vertraulich, familiär zu Gott, dem Schöpfer von Himmel und Erde, vom ganzen Universum sprechen? Wie groß muss Gott sein? Wer, was bin ich schon in diesem unvorstellbar großen Universum? Habe ich für ihn überhaupt eine Bedeutung? „Ja“, sagt Jesus. Du darfst dich Gott gegenüber fühlen wie ein Kind, das sich geborgen fühlt. Darüber hinaus dürfen wir sagen: „Vater unser.“ Gott ist nicht nur mein, sondern auch dein, unser Vater, wodurch wir uns als Geschwister anerkennen.

Dieser Gott-Vater ist uns „heilig“, d.h. unheimlich wichtig - so wie wir sagen, dass etwas uns „heilig“, unantastbar, unendlich wertvoll ist. Wir wünschen, dass sein Name, er selbst in dieser Welt respektiert und geehrt wird. Sein Wirken, sein Einflussbereich soll sich immer weiter in dieser Welt verbreiten: Dein Reich komme. Dort wo Menschen nach seinen Vorstellungen handeln und leben, dort geschieht sein Wille. So drücken wir aus, wer Gott für uns ist.

Diesem uns liebenden Vater dürfen wir auch unsere tiefsten Bedürfnisse anvertrauen. Nicht als Wünsche, die er unbedingt erfüllen soll. Wir vertrauen ihm unsere Bedürfnisse, unsere Hoffnungen und Erwartungen an, so wie wir es einem Menschen gegenüber tun, den wir gerne haben - ohne zu erwarten, dass er uns alle unsere Wünsche erfüllen kann. Aber es tut gut, es ihm gegenüber aussprechen zu können. Gott weiß, ja was wir brauchen.

Zu diesen Bedürfnissen gehört unser tägliches Brot, das was wir täglich zum Leben brauchen - nicht weniger, aber auch nicht mehr, als nötig ist. Damit drücken wir Gott gegenüber unsere Bescheidenheit aus. Und weil wir wissen, dass wir nicht immer nach seinem Willen handeln, Gott uns aber trotzdem annimmt, und wie gut das tut... deswegen möchten wir das auch bei unseren Mitmenschen, unseren Geschwistern, machen.

Wir wissen, wir Menschen haben von Natur aus die Neigung, schwach zu werden und nachzugeben wenn wir uns angesprochen und angezogen fühlen von Dingen, von denen wir zwar wissen, dass sie nicht gut für uns oder für andere sind, aber die trotzdem einen starken Reiz haben, weil sie Spaß und Vorteil versprechen. Gott soll uns die Kraft geben, zu widerstehen. Er soll uns nicht allein lassen in bösen Situationen, sondern uns stärken, damit wir sie durchstehen können.

So soll unsere Haltung, unsere innere Einstellung Gott gegenüber sein. Ich weiß, dass Gott nicht eingreifen wird, um alle meine Wünsche zu erfüllen. Er wird die Naturgesetze, die er selbst bestimmt hat, nicht aufheben und Wunder wirken. Ohne diese fixen Gesetze, würde in dieser Welt nur Chaos entstehen. Ich glaube nicht an einen Gott, der mich vor der Gefahr von Leiden und Tod rettet, sondern dass er dann bei mir ist, so dass ich die Kraft habe es durchzustehen. Gott hat den Wunsch von Jesus („Lass diesen Kelch an mir vorübergehen“) nicht erfüllt. Er hat sein Leiden und seinen Tod nicht verhindert. Und trotzdem hat er ihn nicht im Stich gelassen, sondern hat ihm ein neues Leben gegeben.

Beten, unser Leben vor Gott zur Sprache bringen, ihm alles anvertrauen, vertieft unsere Beziehung zu Gott und wird so zu einer Kraftquelle für unser Leben. Deswegen sagt Jesus, nicht, dass Gott uns jede Bitte erfüllen wird, sondern: “...viel mehr wird der Vater im Himmel seinen Geist, seinen Lebensatem, seine Lebenskraft denen geben, die ihn bitten.“ So können wir in diesem Leben bestehen, was auch geschehen mag. Wichtig ist, dass unsere Beziehung zu Gott nicht abreißt und dass wir sie pflegen.

Sie ist die intimste Verbindung, die der Mensch mit dem Herrn des Weltalls aufnimmt. Wir reden Gott aus der Herzensnähe mit du an, und wir sagen ihm alles, was uns bedrückt, uns bewegt und beglückt. Teresa von Avila hat es so ausgedrückt: „Inneres Beten ist nichts anderes als Verweilen bei einem Freund, mit dem wir oft allein zusammenkommen, einfach um bei ihm zu sein, weil wir sicher wissen, dass er uns liebt.“

 

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